Dramaturgie
Im nächsten Schritt sollte ein handfestes Geschehen in der Fernsehsendung gestaltet werden, das den Übergang vom kollektiven Fernseherlebnis zum individuellen Einbringen einläutet. Dieses Geschehen nenne ich „Ritual“. Genau wie ein klassisches Ritual ist es nämlich durch das Kollektiv und Regeln vorgegeben (durch die Fernsehsendung). Gleichzeitig wird es aber individuell erlebt und ausgestaltet (in der Interaktivität). Bei TV-Serien kommt zusätzlich der Wiederholungscharakter von Ritualen zum Zuge.
Als Rituale eignen sich in iTV-Formaten wiederum ganz unterschiedliche Dinge.
Heldenverehrung
Dies ist ein nachgerade archetypisches Ritual. Es wird seinen Reiz und seine Bedeutung deshalb niemals verlieren. Unbestritten funktioniert es auch heute.
Das Ritual basiert auf der Identifikation mit dem Helden. Es folgen z.B. Kostümierung, das Schreiben von „Fan-Fiction“ und das Treffen mit Gleichgesinnten in „Conventions“.
Als eines der zahlreichen Sendungen sei die Wiederbelebung der griechischen Helden in den Serien „Hercules“ und „Xena“ genannt.
Wettbewerb
Auch dieses Ritual ist klassisch. Es bietet Selbstpositionierung, Gemeinschaft, Abgrenzung, Initiation und Feier. Es kann sogar eine religiöse Funktion haben. Die Bedeutung für interaktives Fernsehen ist daher offensichtlich.
Sehr viele TV-Formate haben einen Wettbewerb als zentrales Ritual. Perfektioniert hat das wie immer Stefan Raab wie etwa in seinen Formaten „Wok WM“ oder „Schlag den Raab“.
Be-/Verurteilung
Spiel
Rituale können ihr spielerisches Element in den Mittelpunkt stellen z.B. bei Rollenspiel, Rätsel oder Sport.
Ein schönes Beispiel ist das „Torwandschießen“ des aktuellen Sportstudios vom ZDF. Obwohl es auch ein Wettbewerb ist, wird der Fokus auf das Tun gelegt und nicht auf das Ergebnis.
Feier
Viele Feiern beinhalten Rituale, die die Bedeutung der Feier stärker ins Bewusstsein bringen.
Genannt sei die Traumhochzeit von Linda de Mol.
innere Reinigung
Rituale dieser Art sind der Versuch, den psychischen Prozess direkt als TV-Format umzusetzen.
Gelungen ist dies bei „Zwei bei Kallwass“ auf Sat 1. Die Eröffnungssequenz zeigt die Idee auf denkbar einfachste Weise.
Narretei
In der Narretei liegt die Kritik an der Obrigkeit, die Stärke der Naivität und die Blödelei. Eigentlich bietet dies viel Substanz. Darauf ein formatfüllendes Ritual aufzubauen ist allerdings schwierig.
Als kleines Ritual der Narretei am Rande hat Harald Schmidt in seine Show den „Liebling des Monats“ eingebaut.
Harald Molina-Tillmann
Einführung in das interaktive Fernsehen
4. Ritual
4. Ritual